Lassen Sie sich von der Luftartistin Jana Korb in den Bann ziehen.
Crabbel: Liebe Frau Korb, wie und im welchen Alter kamen Sie zur Luftakrobatik?
Jana Korb: Ich bin „rüber“ gewechselt vom Leistungssport – Turnen und Klettern. Als ich zum Studieren nach Berlin kam, war ich auf der Suche nach einem neuen Sport und habe zunächst mit Partner-Akrobatik angefangen. Kurz darauf entdeckte ich auch das Trapez und die große Welt der Luftartistik. Das alles erstmal vor allem als Sport. Über mein Kunst-Studium und verschiedene Happenings und Performances im öffentlichen Raum habe ich dann mehr und mehr die Artistik als künstlerisches Ausdrucksmittel für mich gefunden.
Crabbel: Was wollten Sie als Kind eigentlich werden?
Jana Korb: Künstlerin, insbesondere Kostüm- und Bühnenbildnerin. Aber ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, dass ich selber mal auf der Bühne stehe. Dafür war ich als Kind viel zu schüchtern…
Crabbel: Inwiefern unterscheiden Sie sich von anderen Akrobaten?
Jana Korb: In die eigentliche Artistik bin ich erst relativ spät eingestiegen, und mache das hauptberuflich auch erst seit Beendigung meines Studiums (Kunst und Kulturwissenschaften). Insofern ist meine Herangehensweise an das Kreieren und Produzieren meiner Stücke und Nummern intellektuell und reflektiert. Ich gehe meistens von einer (inhaltlichen) Idee, einem Konzept aus und setze meine Artistik als Ausdrucksmittel ein. Das unterscheidet mich von vielen meiner Kolleginnen, die in der Regel mit dem Körper anfangen, bzw. mit der artistischen Technik. Ich bin neben meiner Rolle als Artistin und Darstellerin auch Konzeptentwicklerin und Forscherin.
Crabbel: Haben Sie ein Vorbild? Was fasziniert Sie an dieser Person?
Jana Korb: Neben der Königin der Luft, Lillian Leitzel, der berühmtesten Luftartistin und bestbezahlten Artistin bis heute, ist mein größtes Vorbild die Künstlerin Marina Abramovic. Vor allem ihre frühen Performances inspirieren mich durch ihr konsequentes Grenzen Überwinden, das Unmögliche möglich machen – ihre Kunst berührt mich sehr, und das möchte ich mit meiner Kunst auch!
Crabbel: Sie haben das „Forum Neuer Zirkus“ mit ins Leben gerufen. Können Sie erklären wofür „neuer Zirkus“ steht und was der Unterschied zum normalen Zirkus ist?
Jana Korb: Genau diese Frage stellen wir uns auch immer wieder. Ich kann die nur ganz subjektiv beantworten: Zirkus hat genauso wie Tanz ein breites Spektrum, das von leichter Unterhaltung bis schwerer Kunst reicht. Darin reihe ich den Neuen Zirkus auf der Seite der Kunst ein. Dass die Grenzen da ganz unscharf sind, ist selbstverständlich – und auch gut so. Auch der traditionelle Zirkus ist dabei sich zu erneuern – die Definitionen müssen fließend bleiben.
Mit meinen eigenen Werken sehe ich mich zwischen Zirkus und Theater: also mein Neuer Zirkus ist physisches Theater mit artistischen Bewegungsformen. Dabei geht es einerseits darum, die Artistik zu transzendieren, anderseits darum, Gefühle, Zustände, Ideen mit Artistik transportieren.
Crabbel: Sie forschen über „Frauen in der Artistik“. Wie genau machen Sie das und zu welchen Ergebnissen kommen Sie?
Jana Korb: Ausgehend von unseren eigenen Erfahrungen, recherchiere ich in Bibliotheken und Archiven, spreche mit Artistinnen und ehemaligen Artistinnen, suche Bilder und Videos im Internet – insbesondere das Artistik-Archiv der Winklers hier in Berlin ist eine Goldgrube. Ich möchte wissen, was unsere Wurzeln sind, wo die Kunst herkommt, die wir machen. Mich interessiert, wie Artistinnen gelebt haben, wie sie ihren Alltag mit ihrer Kunst verknüpft haben, was ihre Kämpfe waren.
Ich sammle schon seit Jahren Literatur über Luftartistinnen und finde dabei herausragende und außergewöhnliche Künstlerinnen, deren Namen heute vergessen sind. Deshalb habe ich das Vintage! Women! Varieté! gegründet, in dem wir ihre Geschichten erzählen, ihre Artistik zeigen und diese mit unserer eigenen Artistik zusammenfließen lassen.
Das bringt uns in die Gegenwart, wo ich untersuche, wie die Arbeits- und Kreations-Bedingungen von heutigen Artistinnen beschaffen sind, wie sie als Körper im Show-Business wahrgenommen und geprägt werden, wie ihr artistischer Alltag aussieht usw. Ein Beispiel: die sehr kraft-intensive Luftartistik ist zu 90% eine weibliche Disziplin. Wie gehen Luftartistinnen mir ihrer Weiblichkeit um, wie präsentieren sie ihren (muskulösen) Körper, wie gehen sie mit ihrer Schönheit und ihrem Alter um etc.
Crabbel: Wo würden Sie gerne einmal auftreten und warum?
Jana Korb: In Frankreich, eine Tour auf den schönsten Straßen- und Zirkus-Festivals. In Frankreich ist Zirkus eine ernstgenommene Kunst und ich möchte sehr gerne für ein Publikum spielen, dass mit einem Kunst-Kenner-Blick zusieht.
Crabbel: Wenn Sie zurückblicken: Welcher Auftritt ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben und warum?
Jana Korb: Da kann ich mich nicht entscheiden, da gibt es so viele!!!
Mein erster Auftritt in Prag 2004, im Divadlo Alfred ve Dvore, der Prager Stätte für Nonverbal und Physical Theater. Es war mein erster Auftritt außerhalb der Performance- und Show-Kunst-Szene, das erste Mal im Kontext experimentellen Theaters. Der Blick des Prager Publikums war unglaublich offen, seine Kenntnis der darstellenden Künste aber detailliert und tief. Ich hatte noch nie so schöne Publikums-Gespräche geführt.
Und immer wieder gibt es Auftritte, bei denen ich das Publikum zutiefst berühre: gerade dieses Wochenende habe ich Frau Vladusch in Belgien gespielt und eine Frau kam mit Tränen in den Augen zu mir und hat sich bedankt. Das sind so Momente, wo mir am deutlichsten klar wird, wofür mir meine Kunst wichtig ist!
Crabbel: Was ist für Sie das schönste an Ihrem Beruf?
Jana Korb: Wenn ich mit meinen Geschichten Menschen berühre und dieses gespiegelt bekomme. Wenn ich die Energie im Spiel spüre, welche ich dem Publikum gebe und die vielfach vom Publikum zurückkommt, das ist das größte Geschenk, das ich dann im selben Moment um ein vielfaches wieder zurückgeben kann. Wenn ich mit wunderbaren Kolleginnen zusammenarbeiten kann, mich austauschen kann und zusammen kreieren kann.
Und dass ich Körper und Geist gleichermaßen fordern und fördern kann, das freut mich immer wieder.
Crabbel: Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?
Jana Korb: Ich mache weiter! Ich kann und will nichts anderes: Kreieren, Spielen, Touren!
Crabbel: Vielen Dank!
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